Übersetzt von Michèle Mialane, Tlaxcala
Es
sei nun einmal gesagt: die Einzige Demokratie im Mittelosten finden wir
zum Kotzen, und das schon lange. Dieses gräuliche Geschwür mitten auf
der Brust der arabischen Welt ist das abscheulichste Glanzstück unter
den Geschenkpaketen, die das demokratische Abendland dem rückständigen
Morgenland böig zugesandt hat, und das seit über zweihundert Jahren, als
der reitende Kleine Korporal Napoleon im Innenhof der Al-Azhar-Moschee
ein Exemplar des Korans mit den Hufen seines Pferdes trat. Die
PalästinenserInnen bezahlen nun seit 67 Jahren für ein Verbrechen, an
dem sie keine Schuld tragen. Vielleicht geriet der Große Mufti von
Jerusalem in die Versuchung, mit Hitler eine Allianz einzugehen, um
das perfide Albion und dessen zionistische Handlanger zu bekämpfen, aber
soweit bekannt hat er keineswegs zum Holocaust der europäischen Juden
beigetragen.
Einmal wurde ein israelischer Soldat gefragt, der an einem jener
berüchtigten Checkpoints Wache hielt, wie er denn einen Juden von einem
Araber unterscheiden konnte: „Ganz einfach“, war die Antwort,
“Palästinenser blicken einen an, als wären sie verfolgte Juden.“
Die Geschichte des jüdischen Staates ist die einer langen „Nacht-
und Nebeloperation“, der eine ewige Dauer zuteil geworden scheint. Aber
alles hat ein Ende, auch die Empires und ihre Geschwüre. Und nun zum
laufenden Kapitel dieser Operation.
Es hat sieben Tage und Nächte, 180 palästinensische Tote, über 500
zionistische Abwehrmissile zu 100 000 Dollar pro Stück gegen Raketen aus
Gaza und vor allem das Ende des Fußball-Weltpokals gebraucht, bis „die
Welt“ allmählich reagiert - unten und oben. Und die Reaktionen sind doch
zumindest seltsam.
Zuerst oben: Pokalsieger ist - Ehre, wem Ehre gebührt -
Präsident François Hollande, am Tag nach der hoch kriegstreiberischen
14.-Juli-Gedenkfeier, die wenig zu tun hatte mit den Sansculottes und
den Frauen aus den Vororten im Jahre 1789. „Ich will hier nicht
meinen“- so Hollande - „dass man pro-israelisch oder pro-palästinensisch
ist. (...) Denn im Nahen Osten ist die Situation explosiv. Der
israelisch-palästinensische Konflikt soll nicht nach Frankreich
importiert werden. Es darf zu keinerlei Entgleisungen
und Ausschweifungen kommen, zu keinem Eindringen oder Willen zum
Eindringen in die Kultusstätten, ganz gleich ob Synagogen wie gestern
(Sonntag den 13. Juli) , oder Moscheen, Kirchen oder Tempel(...) Man
darf nicht zum Antisemitismus greifen, bloß, weil es einen
israelisch-palästinensischen Konflikt gibt(...) Frankreich will einen
palästinensischen und daneben einen israelischen Staat. Das war immer
unsere Stellung, und daran wird sich nichts ändern.“
(Interview vom 14. Juli 2014) Wir achten unsere LeserInnen viel zu hoch,
dass wir solch erbärmliche Worte auslegen würden. Sie sind keinen
Kommentar wert. Nur ein albernes Nachplappern des Einmaleins, das bei
den Hauptaktionären der Weltbank und deren frommen Jasager von
Washington bis nach Stockholm gängig ist.
Ungefähr zur gleichen Zeit hat im holden Frankreich die Gendarmerie
von Artix im Département der Pyrénées-Atlantiques von einer Brücke ein
weißes Tuch weggeholt, das die schwarze Inschrift “ Israël assassin (Israel mordet)“
trug. Die Täter werden gesucht. Wenn man sie entdeckt, was dann aber?
Werden sie angeklagt? Welchen Deliktes bitte? Vielleicht des
Antisemitismus? Man wäre versucht, sich darüber totzulachen, wenn die
Dinge nicht so ernst lägen, und das weltweit.
Unten sieht es gelinde gesagt paradox aus: obwohl die
Durchschnittsbürger in Europa, Latein- und Nordamerika und rings ums
Mittelmeer meist dem aggressiven Zionismus mehr denn je angeekelt
zusehen, scheint es den Solidaritätsbewegungen mit dem palästinensischen
Volke wie dem Schnee vom vergangenen Jahr zugegangen zu sein. Das hängt
sicher mit der allgemeinen Krise des veralteten Aktivismus vom 20.
Jahrhundert zusammen. Aber es gibt noch andere, präzisere Gründe. Für
die Zionisten sollte die Ermordung zehn unbewaffneter türkischer
Aktivisten an Bord der Mavi Marmara als warnendes Beispiel
fungieren und es ist auch der Fall gewesen. Das hat ganz einfach all
jene terrorisiert, die versucht gewesen wären, materiell zu helfen,
konkrete Solidarität auszuüben und sich unbewaffnet ins Konfliktgebiet
zu begeben. Wo bleiben denn die Gaza-Flottillen? Andererseits wirkt sich
die von den zionistischen Führern massiv angewandte erpresserische
Anschuldigung des Antisemitismus recht ernüchternd auf viele Eiferer der
palästinensischen Sache aus. Und dann sind die Solidaritätsbewegungen
in vielen Ländern unter die Vorherrschaft jener seltsamen Figuren der
„antizionistischen Juden“ geraten. Mit wenigen Worten: es sieht so aus,
als dürften nur Juden oder deren Eiferer den jüdischen Staat - und zwar
nur gemäßigt - kritisieren. Wir für unser Teil unterstützen die
Palästinenser nur, weil man ihnen ihre natürlichen Rechte abspricht -
nicht, weil sie Moslems, Christen oder Araber sind. Und nicht, weil
Israel ein jüdischer Saat ist, stehen wir ihm feindselig gegenüber,
sondern weil dieses Land die Kriterien eines Rechstaates keineswegs
erfüllt. Würden die Palästinenser Juden sein und Israel ein
buddhistischer Staat, der sie in gleicher Weise behandeln würde, würde
unsere Stellung die gleiche sein.
Und nun überlegen wir uns ein bisschen die Vorkommnisse, die eben aufeinander gefolgt sind.
Eines Nachts verlassen drei Jugendliche eine Diskothek und werden
vermisst. So was passiert jeden Samstagabend überall weltweit. Fielen
sie Hasch- oder Crackdealern zu Opfer, bei denen sie eine Rechnung nicht
beglichen hatten? Oder auf junges Fleisch hungrigen Sittenstrolchen?
Oder einer russischen, georgischen oder drusischen Ganovenbande? Die
Frage ist, dass die Jugendlichen nicht nur Juden, sondern auch Israelis
sind und Kinder von Familien, die auf fremdem Boden illegal wohnen. Und
wie viele Kinder von Siedlern studieren sie auf einer Jeschiwa, also auf
einer konfessionellen Schule, vermutlich weil es im Fleck, wo sie
illegal wohnen, keine andere gibt. Womöglich sind sie nicht „religiöser“
eingestellt als Wolfowitz’ Halbstrümpfe. Und sofort startet die
Propagandamaschine los: „Drei Studenten einer Jeschiwa in der Westbank
entführt.“ Selbstverständlich müssen die Kidnapper Palästinenser sein.
Es heißt, dass ihre Leichen einige Tag später aufgefunden wurden. Für
die Gangster, die den jüdischen Staat regieren, steht es außer Zweifel,
dass die horrende Tat nur vom Hamas begangen worden sein kann! Sagt man
es Euch, so stimmt’s auch, weiter gehen, da gibt’s nicht zu sehen. In 60
Jahren bewaffneten palästinensischen Widerstandes haben sich jedoch die
Gruppen, aus denen er bestanden hat, stets zu ihren Taten bekannt.
Warum diesmal keine? Welchen Vorteil konnte sich der Hamas, deren
Mitglieder sämtlich über ein Gehirn verfügen, vom Mord dreier Kinder
erhoffen, gerade zur Zeit, wo er sich in einer heiklen Phase befindet,
indem er versucht, sich mit dem kläglichen Fatah von Mahmud Abbas zu
versöhnen, um bei immer unvorstellbar werdenden Verhandlungen eine
gemeinsame Front zu bieten? Wobei Netanjahu laut herausposaunt, dass
seine Verteidigungslinie gegen den islamischen Staat zieht sich am
Jordan entlang? Es steht jedem/r frei, diese oder jene Meinung vom Hamas
zu haben - nur darf man nicht annehmen, dass er aus lauter Doofen
besteht.
Der jüdische Staat - eine denkbar gräuliche Vokabel, aber sie wird
eben von dessen Operatoren gebraucht - wird in der neuen Schlacht zu
Gaza den Kürzeren ziehen, wie 2006 in Libanon. Wenn er sein unheilvolles
System beharrlich weiter betreibt und somit darauf verzichtet, die
Menschen zu retten, über die er herrscht, wird er sich den Kopf gegen
die selbst erbaute Mauer samt „Eisenkuppel“ zerschlagen.
Und zum Schluss ein jüdischer Witz, der in Tel Aviv erzählt wird:
„Ein optimistischer jüdischer Israeli lernt Arabisch, ein
pessimistischer jüdischer Israeli lernt Englisch, ein realistischer
jüdischer Israeli lernt schwimmen.“
Der August naht. Warum nicht zum Gaza-Strand hinfahren?
Ayman El Kayman, Vegetarier von der Gattung der Alligatoren, der sich
den Kopf über Zulässiges und Unzulässiges nicht zu zerbrechen braucht
Möge die Kraft des Geistes mit Euch sein
… und bis zur nächsten Woche!
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